Mehr Mut zum Dilettantismus, liebe Marken

Es gibt zwei Wege wie Marken sterben: Die einen sterben einen langen quälenden Tod durch Perfektionismus. Webseiten, die nicht veröffentlicht werden, Visitenkarten, die nicht gedruckt werden, Marketingaktionen, die nicht durchgeführt werden. Sie alle verlieren sich in einem „hätte gern, müsste eigentlich, könnte nicht, würde aber“. Es ist niemals genug Zeit vorhanden, die Aktivitäten so durchzuführen, dass sie den eigenen überhöhten Ansprüchen gerecht werden.
Die anderen sterben, weil sie glauben, ihr bisheriger Erfolg genüge, um auch in Zukunft an der Spitze mitzuspielen. Beiden Gruppen wünsche ich, sie würden mehr Mut zum Dilettantismus an den Tag legen. Und zwar im ursprünglichen Sinn, dass sie eine Sache um ihrer selbst willen ausüben, also aus Interesse, Vergnügen oder Leidenschaft.

Für Krimiautor Wolf Haas ist das überhaupt der einzige Weg zum erfolgreichen Schreiben. In einem Interview meiner Lieblingsserie in der Süddeutschen Zeitung „Lassen Sie uns über Geld reden“ erklärt er:

50% meiner Energie wende ich dafür auf, zu vergessen, dass ich ein bekannter Autor bin. Diese Zeit ist wie eine Fastenkur. Erst dann kann ich vor mir wieder halbwegs die Fiktion aufrechterhalten, dass ich irgendein Autor bin, der jetzt sein erstes Buch schreibt. Ich muss naiv sein, wenn ich schreibe. Als Erfolgsautor kann ich kein Buch schreiben. Ich hasse diesen Begriff.

Jeder bisherige Erfolg ist nur eine flüchtige Momentaufnahme

Ich mag den Begriff Erfolgsautor oder Erfolgscoach auch nicht. Er suggeriert, dass ein Ziel erreicht sei. Als wäre mehr nicht möglich. Doch genau das ist der Irrtum. Jeder bisherige Erfolg ist nur eine flüchtige Momentaufnahme der Vergangenheit. Die Welt verändert sich ständig und wir mit ihr. Die Arbeit als Berater oder Coach ist nicht zu Ende, sie ist ein immer währender Prozess. Bei jedem neuen Auftrag, bei jedem Satz, den wir schreiben oder sprechen, sollten wir uns aufs Neue fragen: Wie mache ich die Welt genau dieses Kunden, Lesers, Publikums besser, schöner oder einfacher?

Es lohnt sich, die Rolle des Nichtwissenden einzunehmen. Experten haben ohnehin einen zweifelhaften Status, besonders die Selbsternannten. Es ist besser, sich zum Amateur zu erklären. Ein Enthusiast zu sein, der seine Arbeit aus Liebe macht, nicht um reich und berühmt zu werden oder eine großartige Karriere zu machen. Das hat einige Vorteile.

  • Der Amateur hat wenig zu verlieren. Er ist mutiger.
  • Der Amateur probiert gerne aus, macht Fehler und lernt dadurch lebenslang Neues.
  • Sein Enthusiasmus steckt an.

Oder wie Zen Mönch Shanrya Suzuki sagt:

In a beginner’s mind, there are many possibilities. In the expert’s mind there are few.

Was wir tun ist entscheidend, nicht was wir schon geleistet haben

Es wäre schön, wenn viele der Coachs, Trainer und Berater weniger darüber sprechen, für welche DAX-Konzerne sie schon gearbeitet haben oder wie viele Bücher sie bereits geschrieben haben. Viele erzeugen damit eine Fake-Bedeutung. Am Ende des Tages ist bedeutsam, wie wir die Welt unserer Kunden und unseres Marktes besser machen, nicht wie berühmt wir uns selbst fühlen. Was wir tun ist entscheidend, nicht was wir schon geleistet haben.

Wir sollten mehr darüber erzählen, aus welchen Fehlern wir Neues gelernt haben und was wir an unserer Arbeit wirklich lieben. Wir sollten alles Vergangene wie Wolf Haas in Vergessenheit geraten lassen, um etwas Neues und Großartiges zu schaffen. Lasst uns alle mehr wie Amateure und Dilettanten handeln!

 

 

Comments (2)

  1. Maren, Ihr Beitrag erinnert mich an ein Phänomen, dass mit steigender Popularität einhergeht und ich schon oft beobachten konnte. Dieses sagt: wenn ich den eigenen Erfolg zur Institution mache und dann handle wie so eine, dann habe ich wohl die größtmögliche Distanz zum Kunden, Fan oder Unterstützer aufgebaut.

    Wir sollten uns manchmal wirklich täglich sagen, dass wir Anfänger sind. Somit bleibt der Blickwinkel weniger eingeschränkt und wir können die Feinheiten, Trends und Befindlichkeiten der Kunden erkennen. Ich denke, somit ist man langfristig näher an der Basis (am Puls des Kunden, also dem, der uns unterstützt) anstatt auf dem hohen Ross des Erfolges.

    • Maren Martschenko

      Oder wie Sie so schön Ihrem Blogbeitrag schreiben „Die Welt ändert sich laufend. Man trifft auf Herausforderungen, die gestern noch völlig unbekannt waren. Damit werden Erfahrungen nicht wertvoller. Nur häufiger. Möglichkeiten aber auch. Und die sind real. – Für den, der sie erkennen will.“ Ich denke auch, dass in Zeiten der schnellen Veränderungen bestehende Erfahrungen an Wert verlieren. Es ist eher die Haltung, Dinge immer wieder neu betrachten zu können, die über künftige Erfolge entscheiden werden. Ein Begriff, der neuerdings in diesem Zusammenhang genannt wird, ist die Agilität.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert