Service ist in Deutschland ein Fremdwort. Vor allem ein falsch Verwendetes.

Heute lese ich in einem Artikel der Wiwo-online wie schlecht es um die Dienstleistungsqualität in Deutschland bestellt sei. Seit 20 Jahren höre ich dieses Klagelied immer wieder. Wie kann das sein, wenn wir uns in Deutschland immer weiter zu einer ganz lebendigen Dienstleistungsgesellschaft entwickeln? Das meint Wiwo-Autor Thomas Koch natürlich nicht als er seine Kolumne mit „Die Servicewüste lebt!“ betitelt … Wie das so oft mit der Sprache und den Fremdwörtern ist: Falsch eingesetzt führen sie zu Missverständnissen. Das ist auch in der Kolumne der Fall. Einige Thesen daraus bauen auf dem meines Erachtens weit verbreiteten falschen Verständnis der Begriffe Dienstleistung, Service und Mehrwert auf. Jene (kursiv gedruckt) will ich im Folgenden aufgreifen und ergänzen:

„Es ist wohl notwendig, die deutschen Dienstleister daran zu erinnern, dass der Service ein sehr wesentlicher Bestandteil ihres Markenversprechens ist. … Der Service trägt mindestens so viel zur Markenqualität bei wie die Dienstleistung selbst. Oft besteht die Dienstleistung sogar fast ausschließlich aus Service.“

Wenn Dienstleister Service versprechen, wäre das genauso als wenn Coca Cola seinen Kunden braune Limonade verspräche.

Service ist nicht ein Teil irgendeines Versprechens oder eine Teilmenge einer Dienstleistung. Die Dienstleistung ist der Service – nachzulesen im Fremdwörter-Duden. Der Begriff leitet sich aus dem Englischen ab und steht für Dienst, Bedienung. Dienstleistung wird im Englischen mit Service übersetzt. Es handelt sich also um das ganz originäre Produkt. Dienstleistung sollte also fast ausschließlich aus Service bestehen.


„Und sollte der Service die Dienstleistung tatsächlich einmal verteuern, sollten sich die Unternehmenschefs vergegenwärtigen, dass die meisten Kunden durchaus bereit sind, einen Aufpreis für einen Mehrwert, also für Service zu zahlen.“

Dienstleistung beginnt nicht erst mit den Zusatzleistungen.

Mehrwert für den Kunden ist kein Add-on, sondern der Kern des Produkts Dienstleistung. Entsprechend kann Service eine Dienstleistung nicht verteuern. Nach dem Verständnis des Autors müssten z.B. Coaches bei ihrer Preisgestaltung so argumentieren: „Sie dürfen mir gerne eine Stunde über sich erzählen, aber wenn ich Ihnen zuhören und helfen soll, kostet das extra.“
Richtig verstanden sind Dienstleistungen ein Service für den Kunden, der ihm einen Mehrwert bietet. Wenn Sie also Dienstleistungen erfolgreich und teurer als die Konkurrenz verkaufen möchten, müssen Sie Ihren potenziellen Kunden erfolgreicher und besser als die Konkurrenz deutlich machen, welchen konkreten Mehrwert Ihre Kunden durch Ihren Service erhalten. Dieser Mehrwert darf dann gerne Add-ons, also Zusatzleistungen beinhalten, die Ihre Dienstleistung sinnvoll ergänzen. Bei einem Coach könnten das unterschiedliche Zahlungsmodalitäten, ein kostenloses Arbeitsbuch oder ein spezieller Telefonservice sein.

 

„ … Die meisten Kunden wollen einfach nur „König“ sein. …“

Machen Sie die Welt Ihrer Kunden ein bisschen besser.

Auch wenn sich Service vom lateinischen Wort „Servitium“ zu deutsch „Sklavendienst“ ableitet brauchen sich Dienstleister nicht von ihren Kunden ausbeuten lassen. Wer seinen Kunden zum König erhebt macht sich selbst zum Sklaven der Zeit und des Budgets seiner Auftraggeber. Die PR- und Werbebranche, aber auch viele Druckereien wissen davon ein Lied zu singen. Es geht auch anders: Ich erlebe in der Praxis, dass sich die Unternehmen einen Dienstleister auf Augenhöhe wünschen, dessen Expertise sie schätzen. Eher in einer Rolle des „Trusted Advisors“, der die Welt des Kunden ein bisschen besser macht, weil Prozesse schneller, einfacher ablaufen, mehr Umsatz gemacht wird, zufriedenere Mitarbeiter im Unternehmen sind, Zeit gespart wird etc. Überlegen Sie sich wie Sie die Welt Ihrer Auftraggeber besser machen statt ein Abhängkeitsverhältnis zu schaffen. In meinen Augen ist der beste Berater derjenige, der sich überflüssig macht.

 

„Viele Dienstleistungen sind inzwischen so austauschbar, dass immer häufiger der Service den Ausschlag über Kundenzufriedenheit und damit über die Loyalität gibt.“

Nehmen Sie Ihr Marketing nicht persönlich. Machen Sie es persönlich.

Dienstleistungen sind niemals austauschbar. Sie werden von Menschen erbracht und sind schon allein deshalb nicht vergleichbar. Eigentlich ein Segen. Es überrascht mich immer wieder, dass so viele Dienstleister genau diese Chance nicht nutzen und bei der Formulierung ihres Mehrwerts auf leere Worthülsen setzen anstatt auf konkrete Ansagen. Ein Service oder auch eine Zusatzleistung geben nicht den Ausschlag, ob ein Kunde kommt, bleibt oder geht. Es ist das Zwischenmenschliche, das bei Dienstleistern entscheidet, das mit der Zeit aufgebaute Vertrauen, das zusammenhält, Krisen, die gemeinsam gemeistert wurden, Erfolge, die zusammen gefeiert wurden. Dienstleister werden immer persönlich empfohlen. Richten Sie Ihr Marketing und Ihre Kommunikation darauf aus.

Service lässt sich ohnehin am besten erleben und nicht beschreiben. Deswegen mache ich mir aus der heißen Luft des Wiwo-Artikels und dem Dampf, den ich abgelassen habe, ordentlich Milchschaum und spendiere meinen Coworkern eine Runde Latte Macchiato zum Nachmittagskaffee. Das nenne ich Service!

Die Inspiration zu diesem Artikel habe ich heute Morgen über einen Tweet meines Kollegen Sascha Theobald bekommen. Darin hat er auf den erwähnten Artikel der Wirtschaftswoche verlinkt. Danke dafür!

 

Bildquelle:     RainerSturm  / pixelio.de

Comments (1)

  1. […] 15:21 Service ist in Deutschland ein Fremdwort. Vor allem ein falsch Verwendetes.Heute lese ich in einem Artikel der Wiwo-online wie schlecht es um die Dienstleistungsqualität in Deutschland bestellt sei. Seit 20 Jahren höre ich dieses Klagelied immer wieder. Wie kann das sein, wenn wir uns in Deutschland immer weiter zu einer ganz lebendigen Dienstleistungsgesellschaft entwickeln? Das meint Wiwo-Autor Thomas Koch natürlich nicht als er seine Kolumne […] # […]

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