KI im Business: Warum Standardlösungen zu Schwarmdummheit führen – und eigene Systeme smarter sind

Alle Welt spricht darüber, wie KI unser Leben und Arbeiten verändert. Es gibt die Enthusiast:innen, die das Narrativ von Höher-Schneller-Weiter nähren, und die Skeptiker:innen, die Arbeitsplätze schwinden und den Verfall der Wirtschaft sehen. Beides taugt nicht. Genau deshalb ist es an der Zeit, darüber zu sprechen, wie wir die KI verändern können.

Es heißt zwar “künstliche Intelligenz”, sie ist aber zu 100 Prozent menschengemacht und auch nur mittelschlau. Das ist wahrscheinlich das gefährlichste daran. Ebenso wie das Halbwissen darüber.

KI bricht nicht wie ein Unwetter über uns herein. Genauso wenig wie die Industrialisierung im 19. Jahrhundert, die aus heutiger Sicht skurrile Phänomene mit sich brachte. So glaubten manche, als die ersten elektrischen Straßenlampen aufkamen, das Licht würde Frauen unfruchtbar machen oder Menschen erblinden lassen. Handweber zündeten Webereien an, die mechanische Webstühle nutzten, weil sie ihnen die Arbeitsplätze wegnahmen. Heute lachen wir darüber, aber auch über KI kursieren übertriebene Ängste und Vorstellungen aus der Welt der Science Fiction.

Die gute Nachricht ist: Wir können den Lauf der Dinge gestalten und dafür sorgen, dass sich KI nicht als große Schwarmdummheit von wenigen Tech-Bros oder als unkontrollierter Sturm der Automatisierung in die Geschichtsbücher eingeht.

Gleich vorweg: Schwarmdummheit entsteht durch die unkritische Nutzung von KI ohne strategische Anpassung. Wer sich auf Standardlösungen in Sachen KI verlässt, wird bald merken, dass er in einer Monokultur arbeitet. Wissen wir aus der Landwirtschaft: Macht die Arbeit zwar leichter, zieht aber Schädlinge an und führt zu Bodenerosion. Mehr dazu unten.

Als Unternehmer:innen und Markenmacher:innen tragen wir hier eine besondere Verantwortung. Niemand zwingt uns, unreflektiert KI-Engines zu verwenden und Arbeitsplätze abzubauen.

Wer KI bewusst nutzt, kann einen Nährboden für Innovation und gesundes Wachstum schaffen.

Ich habe fünf Gestaltungsfelder identifiziert.

1. Schwarmdummheit vermeiden

Große KI-Modelle wie ChatGPT sind eigentlich Generalisten. Sie decken ein breites Spektrum an Themen ab, wissen aber nichts richtig. Ich halte es für grenzwertig, in dem Zusammenhang überhaupt von “Intelligenz” zu sprechen. Diese Abgrenzung fällt aber in den Bereich der Philosophie. Ich will über die wirtschaftlichen Folgen von unreflektiertem KI-Einsatz sprechen.

Wenn alle die gleichen KI-Engines nutzen, produziert der „Schwarm“ immer ähnliche Ergebnisse. Inhalte, Texte und Markenkommunikation werden austauschbar. Als Unternehmen bleiben wir gefangen im Mittelmaß.

Die Standard-KI kennt keine individuellen Geschäftsmodelle oder Unternehmenswerte. Empfehlungen auf Basis von KI-generierten Durchschnittsdaten, mögen generisch gut klingen. Letztlich haben sie keinen strategischen Wert, weil sie nicht auf den eigenen Markt und die eigenen Kundenbedürfnisse zugeschnitten sind.

Worst case Szenario: Man gibt sensibles Unternehmenswissen über die KI-Engine an externe Anbieter weiter. So bekommen Wettbewerber, die dieselbe KI nutzen, Zugang zu internen Analysen und Unternehmensdaten.

2. Eigene smarte Systeme bauen

Um Schwarmdummheit zu vermeiden, müssen Unternehmen und wir als Unternehmer:innen „system smart“ werden.

Kein Arzt, keine Juristin, kein:e ernstzunehmende:r Spezialist:in für irgendein Fachgebiet würde sich bei Analysen und Entscheidungen auf ChatGPT verlassen.

Eine KI für MRT-Bilder muss hochpräzise sein. Hier ist ein Modell nötig, das nur für diesen Bereich trainiert wurde. Ein KI-gestützter Rechtsassistent sollte sich speziell mit den Gesetzen eines Landes auskennen und frei von Vorurteilen sein, statt allgemeine Ratschläge zu geben. Ein KI-Chatbot, der Kundenanfragen bearbeitet, sollte nur das spezifische Wissen einer Firma enthalten, nicht allgemeine Infos.

Das Gute ist: Mit No-Code- und Low-Code-Tools können wir KI-Anwendungen in unsere eigenen Systeme einbinden. Man kann eigene KI-Agenten aufbauen und Large Language Models (LLM) lokal hosten. Klar, dafür braucht es Expert:innen. Das macht man nicht mal eben nebenbei.

Eine Investition, die sich lohnt: Unternehmen, die ihre eigenen KI-Modelle entwickeln oder bestehende Modelle mit ihren eigenen Daten anreichern, können sich differenzieren und sogar einen Wettbewerbsvorteil mit eingebautem Kopierschutz entwickeln. Das ist schlau, oder?

3. Routinen minimieren, Kreativität maximieren

Menschen sind und bleiben Neugetiere, die sich gesehen und verstanden fühlen wollen. Gleichzeitig gibt es viele Aufgaben in Unternehmen, die stupide, langweilig und unterfordernd sind – die Schattenseiten einer nicht gepflegten Arbeitskultur. Die Schweizer Unternehmensberater Philippe Rothlin und Peter Werder schätzen in ihrem Buch „Diagnose Boreout“, dass der gesamtwirtschaftliche Schaden in Deutschland über 250 Milliarden Euro beträgt.

Boreout ist wie Bodenerosion – wenn Menschen nur noch stumpfsinnige Tasks erledigen, geht Begeisterung verloren. “Begeisterung ist Dünger für unser Gehirn”, sagt Gerald Hüther. Schlau sind Unternehmen dann, wenn sie repetitive und sinnfreie Aufgaben automatisieren und dafür sorgen, dass die Mitarbeitenden entsprechend ihrer Stärken gefördert werden.

ChatGPT kann als kreativer Sidekick für neue Konzepte oder Lösungen genutzt werden. KI-gestützte Lernplattformen können passgenaue Kurse empfehlen, um neue Fähigkeiten zu entwickeln.

Jedes Unternehmen hat die Möglichkeit, eigene KI-Modelle für spezifische Zwecke entsprechend der eigenen Bedürfnisse zu trainieren – sei es für spezialisierte Beratungstools, Unternehmens-Chatbots oder maßgeschneiderte Lernplattformen. Das ist der Nährboden für großartige Kundenerlebnisse und Innovationen – und damit für gesundes Wachstum.

4. Mit Feedback die KI düngen

Schlechte Daten sind das CO₂ der KI – je mehr wir davon produzieren, desto fehlerhafter und verzerrter wird sie. Wenn wir KI unreflektiert nutzen, treiben wir Bias-Lawineneffekte und automatisierte Heißluft-Debatten voran. Ich nenne es „Latte Macchiato Marketing„.

Unsere Klicks und Entscheidungen bestimmen, ob wir eine nachhaltige KI-Landschaft schaffen, in der Vielfalt gedeiht, oder ob wir eine toxische Daten-Wüste fördern. Wir liken und herzen regelmäßig Beiträge von anderen – das ist der Dünger für die Algorithmen.

Plattformen haben aber auch Meldefunktionen, um problematische KI-Entscheidungen zu korrigieren. Hinterfrage also, was du siehst und klickst.

Wir entscheiden, ob wir KI mit gehaltvollen Daten füttern oder mit Informations-Müll. Wir entscheiden, welche KI-Engine wir nutzen.

Open-Source-Projekte wie RedPajama-Data-v2, ein offener Datensatz mit 30 Billionen Token für das Training großer Sprachmodelle, sind aktuell noch Nischen, in denen Vielfalt gedeihen kann. Wäre doch cool, wenn das der Standard wäre, oder?

5. KI-Ethik aktiv gestalten

Die Aktivisten in Sachen KI-Ethik sind für mich die Friday for Future Bewegung fürs digitale Zeitalter. Die Regeln, nach denen KI entwickelt wird, sind nicht in Stein gemeißelt. Gesellschaftlicher Druck, regulative Entscheidungen und Open-Source-Communities wie Hugging Face beeinflussen, welche Werte in KI-Systeme einfließen. Wer sich hier engagiert, gestaltet mit. Hier einige Möglichkeiten der Einflussnahme auf die KI-Ethik:

  • Beteilige dich an öffentlichen Anhörungen und Konsultationen des Deutschen Ethikrats oder anderer Gremien, um deine Perspektiven einzubringen.
  • Unterstütze Projekte von Organisationen wie KI for Good oder Algorithm Watch durch ehrenamtliche Mitarbeit oder Spenden.
  • Informiere dich bei den politischen Parteien, wie sie das Thema KI-Ethik in ihren Parteiprogrammen berücksichtigen, und setze bei der Bundestagswahl das entsprechende Kreuz. Falls das Thema bei deiner favorisierten demokratischen Partei zu kurz kommt: Beteilige dich an einer Arbeitsgruppe oder gründe eine.
  • Besuche Workshops, Seminare und Diskussionen zum Thema KI-Ethik, um dein Bewusstsein für das Thema zu schärfen.
  • Sprich mit Menschen in deinem Umfeld, um für das Thema zu sensibilisieren.

KI verändert uns – aber wir sollten KI genauso verändern.

Die Frage ist nicht, ob KI uns verändert – sondern, wie sehr wir KI durch unser Handeln verändern. Ob Unternehmen und Marken in einer gesunden, vielfältigen KI-Landschaft gedeihen oder schwarmdumm im Mittelmaß gefangen sind, hängt von den Entscheidungen ab, die wir als Unternehmer:innen und Markenmacher:innen heute treffen.

Schwarmdummheit entsteht, wenn wir Standardlösungen blind übernehmen. Wer jedoch eigene smarte Systeme baut, Routinen gezielt automatisiert und den Einsatz von KI kritisch hinterfragt, kann einen Nährboden für großartige Kundenerlebnisse und Innovationen schaffen – und damit für gesundes Wachstum.

Nun interessiert mich deine Perspektive dazu:

  1. Wie stark verändert KI dein Leben und Arbeiten? Und wie stark veränderst du KI durch dein Leben und Arbeiten?
  2. Wo nutzt du aktuell Standard-KI – und wo könnte ein eigenes smartes System für dein Business sinnvoller sein?
  3. Welche Routineaufgaben halten dich davon ab, das zu tun, was dir wirklich wichtig ist – und könnte KI dir helfen, sie zu reduzieren?

Teile deine Gedanken gerne in den Kommentaren.

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