Consulting – Quo vadis?

„The heydays of consulting are over“ waren die einführenden Worte von Prof. Dr. Herbert Henzler, ehem. Chairman McKinsey Deutschland & Europa, bei den Alumni-Dialogen am 3. Dezember 2014 an der Ludwig-Maximilians-Universität, auf die Frage, wie es um die Zukunft der Beratungsbranche bestellt sei. Das ist  eine steile These. Ich war gespannt auf die Erklärung und fragte mich: Habe ich mir den falschen Job gesucht?!

Im Laufe seiner Erzählungen, eine Aneinanderreihung von Anekdoten und Erfahrungsberichten seiner langen und vielfältigen Karriere im typischen Berater-Denglish, wurde deutlich, dass vor allem die Glanzzeit von McKinsey vorbei ist. Der Markt des Management Consultings teilt sich in Zukunft in zwei Wachstumsfelder auf: Die großen Beratungsunternehmen wie Accenture & Co., die Beratung industrialisieren, werden noch größer. Gleichzeitig wird die Zahl der Spezialisten, der Einzelberater, steigen. Die Strategieberatungen dazwischen, die nicht durch Größenvorteile punkten können und gleichzeitig mit 60-70% Fixkosten arbeiten, werden sich schwer tun.

Die Zeit arbeitet also für uns Einzelberater. Wie könnte das konkret aussehen? Worauf müssen wir Spezialisten uns einstellen? Ich habe mir dazu anhand von Zitaten Herbert Henzlers ein paar Gedanken gemacht:

„I don’t see a shortage of problems.“

Das ist die gute Nachricht. Die Welt ist VUKA wie es Beraterin Martina Raschke kürzlich in einem Vortrag bei den Digital Media Women beschrieb: Volatil, unsicher, komplex, ambivalent. Der beste Nährboden für Probleme in Unternehmen. Und Berater sind schließlich da, um Probleme zu lösen, oder?

„Consulting means giving the client useful information“

Das war die Definition von Beratung des Gründers James Oscar McKinsey im Jahr 1926.  Ein redlicher Ansatz. Seit dem hat sich in unserer Welt einiges verändert. So auch die Anforderung dessen, was als nützlich empfunden wird.

Natürlich steigt die Zahl der Probleme in der VUKA-Welt. Aber welche Informationen brauchen die Unternehmenslenker heute im Vergleich zu früher, wenn sie diese Probleme angehen wollen? Zu welchem Zeitpunkt wird extern nach Rat gesucht? Wie gelangen diese entscheidungsrelevanten Informationen ins Unternehmen?

Hier hat das Internet auch die Welt der Berater gehörig auf den Kopf gestellt. Wissen ist überall in vielen verschiedenen Formen verfügbar. Anders als früher ist der Wissensvorsprung der Berater geschmolzen. Nach vielen schlechten Erfahrungen auch die Bereitschaft, überhaupt Geld in einen Berater zu investieren. McKinsey hat hier seinen Teil zu beigetragen.

Unternehmer suchen sich neue Wege, um Wissen ins Unternehmen zu holen: In Form von qualifizierten Mitarbeitern. Über die Vernetzung mit anderen Unternehmen innerhalb der Wertschöpfungskette. Durch Vorträgen, Arbeitskreisen, Webinare, Blogs.

Berater, die heute noch beauftragt werden wollen, müssen den Beweis antreten, dass sie in ihrem Bereich mehr wissen als der Unternehmer selbst. Spezialisierung ist hierbei das Schlüsselwort.

„Blurring line of competition“

Der allwissende Berater gehört der Vergangenheit an. Wer sich nicht spezialisiert, verliert. Vor allem wer diese Spezialisierung nicht klar nach außen kommuniziert. Das Internet macht direkte Vergleiche einzelner Angebote möglich. Nur wer glaubhaft zeigt, dass er oder sie die Probleme des Kunden versteht, wird überzeugen.

Zur klaren Positionierung gehört auch, dass wir Berater die Grenzen unseres eigenen Wissens kennen. Die Halbwertzeit von Wissen verkürzt sich dramatisch. Es lässt sich nicht mehr in einem großen Feld aktuell halten. Wissensvorsprung ist nur noch in Nischen realistisch.

Für komplexe Lösungen brauchen die Spezialisten also ein gutes Netzwerk.

„Beratungsunternehmen sollten ‚learning institutions’ werden“

Herbert Henzler erzählte, wie zu seiner Zeit die Beraterteams von McKinsey in Unternehmen kamen, dort ein halbes oder ganzes Jahr eine Studie erstellten und darauf basierend Maßnahmen entwickelten (useful information). Transparenz? Fehlanzeige. Wissenstransfer? Fand nicht statt. Das funktioniert heute nicht mehr. Das hatte Herbert Henzler früh erkannt. Eine wichtige Mission, die er in seiner aktiven Zeit bei McKinsey verfolgte, war es, ein Trainingsinstitut aufzubauen. Gegen viele Widerstände bei den Partnern und durch seine unmissverständliche Haltung („I don’t take ‚no’ as an answer“) setzte er sich damit durch.

Das bestärkt mich in meinem Ansatz, gemeinsam mit den Auftraggebern die Lösung der Probleme anzugehen und ihnen das Wissen, das sie dafür brauchen, mit an die Hand zu geben. Berater müssten „knowledge transmitter“ werden, sagte Henzler zum Abschluss.

Eine neue Definition von Beratung

Die „heydays“ von Management Consulting sind sicher vorbei, wenn man die Gewinnmargen und Gehälter betrachtet. Wer als junger Mensch heute richtig Kohle verdienen will, gründet ein Start-up im Online-Bereich wie die Samwer-Brüder oder Mark Zuckerberg. Doch ich bin mir sicher, auch das Beratungsgeschäft hat einen goldenen Boden, wenn man es frei nach McKinsey und Henzler neu definiert: „Consulting means transmitting useful knowledge to the client“.

 

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