Barcamp 2012: Fragen an die Zukunft des Social Web – reloaded

Die Kommunikation im Social Web ist schnelllebig. Täglich sprießen neue Tools aus dem virtuellen Nährboden. Eineinhalb Jahre sind im Internet eine halbe Ewigkeit. Deshalb habe ich beim Barcamp 2012 die Session „Die Zukunft des Social Web. Fragen statt Antworten.“ aus dem Jahr 2010 wieder angeboten.

Ziel war es, über die Fragen der Teilnehmer zu Antworten zu kommen, wo wir in Sachen Social Web stehen und wo die Reise hingeht. Besonders interessant war natürlich zu sehen, ob und wie sich die Fragen seit dem letzten Mal verändert haben. Ob sich manche Frage bereits beantwortet hat oder gar nicht mehr stellt?

Daniel Rehn hat in seinem Live Blog bereits sehr gut den Ablauf der Session  beschrieben, so dass ich mich hier darauf konzentrieren möchte, die entwickelten Fragenkomplexe zu nennen und die Ergebnisse mit denen von 2010 zu vergleichen.  (Danke auch, Daniel, dass Du alle Fragen mitgeschrieben und mir für diesen Blogbeitrag zur Verfügung gestellt hast!)

Der Einstieg kam über die Fragen zur praktischen Nutzung und Tools:

  • Wird es die Profilvielfalt weitergeben oder verschmilzt das? XING, Facebook, Twitter? Beruflich/privat?
  • Wird Facebook unser „Social Hub“? Oder werden wir Facebook-müde?
  • Wo bleibt Diaspora?
  • Wann stirbt StudiVZ?

Auffallend ist die Gleichsetzung von Social Web und Facebook bei den meisten Menschen, die nicht so tief in der Materie stecken. Hierzu wurden folgende Fragen gestellt:

  • Wann wird Social Media von der Allgemeinheit genutzt? (nicht nur Facebook)
  • Ist Facebook = Social Web?
  • Ist Social Web Tool oder Konzept?
  • Wann gibt es keine normalen Webseiten mehr, sondern nur noch Social Web?
  • Wann merken wir nicht mehr, dass wir das Social Web nutzen?
  • Wann reden wir nicht mehr von Social Media?
  • Wann kommt „Web 3.0“?

Während man sich relativ schnell einig war, dass es zuerst die Idee des Social Web gab und Facebook als Tool diesen später global und einfach nutzbar gemacht hat, gibt es Bereiche, in denen nicht so klar ist, wer jetzt eigentlich was verändert:

  • Verändern sich Strukturen unter Freunden/ Unternehmen/ gesamtgesellschaftlich durch die Nutzung?
  • Wird der Datenschutz das Social Web verändern oder umgekehrt?
  • Wie ist das mit Urheberrecht? Wie werden Marken im Social Web genutzt? (CI-konform) Und geschützt? Und wertgeschätzt?
  • Werden sich Social Projektmanagement Tools etablieren?
  • Bekommt „social“ einen festen Platz in der internen Unternehmenskommunikation?

Im Anschluss an diese eher unternehmensrelevanten Fragestellungen entwickelten sich auch Fragen hin zu großen gesellschaftlich und politisch relevanten Themengebieten:

  • Geht es auch ohne „social“?
  • Machen Asoziale das Social Web asozial?
  • Wie stark werden im Netz aufgebaute Netzwerke im „echten“ Leben real?
  • Wann gibt es keine normalen Webseiten mehr, sondern nur noch Social Web?
  • Profitieren wir vom Social Web oder umgekehrt?
  • Welche Erwartungen gibt es an die Kommunikation?
  • Wie verändert sich die Gesellschaft?
  • Wo kommt die nächste Facebook-Revolution?
  • Wann die „Facebook Armee Fraktion“ (im Sinne von organisierten Unruhen wie etwa bei Stuttgart 21 oder Zensursula)?
  • Wie verändert sich die Kriminalität? Oder ist das Social Web nur ein neues Werkzeug für Kriminelle?
  • Gibt es irgendwann ein „Made in Germany“ im Social Web?
  • Fördert das Social Web Demokratie? (Demokratur)
  • Wie verändern sich die Vereinten Nationen durch und mit Social Web? (Facebook als Staat)
  • Wie abhängig werden wir von Strukturen und Systemen (Cyber War)? Können wir uns umstellen?
  • Gibt es irgendwann Versicherungen für das Social Web?
  • Werden Nicht-Nutzer von der (digitalen) Gesellschaft ausgegrenzt? Gibt es eine Zwangsmitgliedschaft?
  • Wie werden sich Unterschiede durch privatwirtschaftliche (Internet) und staatliche Förderung (Telefon) zeigen?

Gegen Ende spannte sich dann der Bogen zur kleinsten Einheit Mensch:

  • Wie viel Zeit ist sinnvoll ins Social Web zu investieren? Sparen wir Zeit?
  • Werden wir mit der Zeit zu unserem Avatar?
  • Müssen wir uns alle authentifizieren?
  • Wie viele virtuelle Identitäten verträgt ein Mensch? Frauen mehr als Männer?
  • Wie authentisch sind wir? Geht es überhaupt um Authentizität?
  • Wird ADHS gefördert? Organische Auswirkungen? Gehirn? Konzentration?
  • Macht Social Web süchtig?
  • Was ist das richtige Alter für den Einstieg ins Social Web?
  • Wie müsste ein Social Web für Kinder aussehen?
  • Muss das Social Web im Bildungssektor integriert werden?

Die letzten 15 Minuten schauten wir dann auf die Fragen vom Oktober 2010. Damals war ein großes Thema die Grenzen zwischen von Privatsphäre und Öffentlichkeit, von beruflicher und privater Nutzung und was peinlich sein würde. Das Thema private und berufliche Nutzung ist zwar immer noch aktuell, aber bereitet deutlich weniger Sorge als die Profilvielfalt bei den mittlerweile zahlreichen Tools.

Wo wir vor eineinhalb Jahren noch ganz allgemein gefragt haben „Brauchen wir neue Regeln?“ sieht man heute schon viel konkreter den Regelungsbedarf in Sachen Datenschutz und Urheberrecht, staatlicher Regulierung, auch wenn die konkreten Antworten noch fehlen.

Auch die Unternehmen sind heute schon viel stärker im Social Web angekommen auf den Webseiten und in der internen Kommunikation. Die Frage ist nicht mehr „Was geben Unternehmen dem Social Web?“ oder „Bleibt die Homepage die digitale Heimat?“, sondern „Wann gibt es keine normalen Webseiten mehr, sondern nur noch Social Web?“ oder „Werden sich Social Projektmanagement Tools etablieren?“

Manche Fragen von damals stellen sich heute gar nicht mehr, z.B. ob Location-based- Services Hype oder Trend sind und welche Potenziale sich im Social Web entwickeln. Oder „Wie sieht Beteiligung aus?“ Zensursula und Stuttgart 21, die Occupy-Bewegung und der ägyptische Frühling haben es beantwortet. Heute fragt man sich nur noch „Wann gibt es die nächste Facebook-Revolution?“ Oder Fragen nach der Motivation, wie wir künftig das Social Web nutzen: Werden wir eher themen- oder gruppenorientiert agieren? Natürlich sowohl als auch. Was soll die Frage?!

Auch nicht mehr gefragt wurde zu Geburt 2.0, Hochzeit 2.0 und Sterben 2.0 (z.B. „Brauchen wir ein Social Media Testament?“). Das könnte aber auch darauf zurückzuführen sein, dass so eine Runde natürlich immer sehr subjektiv eingefärbt ist durch die anwesenden Diskutanten. Spannend fand ich auf jeden Fall, dass diese „2.0“ Begrifflichkeit heute gar nicht mehr aufkam.

Geblieben sind Fragen nach der eigenen Identität im Netz, und wie gut uns dieser Spagat zwischen analoger und digitaler Identität auf Dauer gelingt. Aber auch hier sind die Fragen heute schon viel konkreter (2010: „Was ist eine Identität?“ „Wie viele Identitäten haben wir?“ — 2011: „Werden wir zum Avatar?“)

Neu waren Fragen zu gesundheitlichen Themen wie Internet-Sucht und die Auswirkungen der Internetnutzung auf Gehirn und Konzentrationsfähigkeit.

Mir scheint, wir haben heute schon einen wesentlich differenzierteren Blick auf die Entwicklungen. Die Themenschwerpunkte sind zwar die gleichen wie damals, aber die Fragen sind viel konkreter und die Ausdrucksweise ist dezidierter, was die Geschehnisse im Social Web angeht. Ich würde daraus schließen, dass wir auf dem besten Weg dahin sind, den Begriff „Social Web“ aus unserem aktiven Sprachschatz auf die Wortweide in den Ruhestand zu schicken.

Der differenziertere Blick hat allerdings nicht dazu geführt, dass wir mehr Antworten haben, sondern noch mehr Fragen. 2010 haben wir in der gleichen Zeit 34 Fragen an der Wand notiert, heute 53.

Vielen Dank an alle, die die Session mit ihren Fragen zum Leben erweckt haben. Ich bin schon gespannt, welche Fragen wir uns auf dem nächsten Barcamp stellen werden …

 

 

Comments (3)

  1. Maren, ich denke ich spreche im Namen aller Teilnehmer, wenn ich sage, dass die Freude ganz unsererseits war. Ich zumindest freue mich schon sehr auf die Fortsetzung beim Barcamp Munich 2013 😉

  2. #bcmuc 2012: Neue Räume | zukunftsfitness

    […] Am deutlichsten wurde das wohl in der Session von Maren Martschenko alias @zehnbar, die erneut Fragen an die Zukunft von social media einsammelte. Der Vergleich zu 2010 zeigte, dass soziale Medien inzwischen noch selbstverständlicher sind, als vor ein paar Monaten: Das Anhängsel 2.0 zur Markierung des Neuen wird nicht mehr bemüht. Fragen zu Identität,  Datenschutz oder politischer Auswirkung sind differenzierter. Und: Es sind mehr Fragen geworden, nicht weniger. (s. Resümee bei zehnbar) […]

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